Callboy schenkt Frauen Aufmerksamkeit

Callboy Nick Laurent schenkt Frauen Aufmerksamkeit

Badener Callboy beglückt seit 16 Jahren Frauen: »Ich bin ein absoluter männlicher Feminist«

Der 46-jährige Nick Laurent betreibt ein Callboy-Portal mit Sitz in Baden. Hier lebt auch seine Partnerin, die kein bißchen eifersüchtig ist. Zum Valentinstag gibt der Liebesdiener Einblicke in seinen Berufsalltag, erzählt, warum er auch mit Frauen mit Handicap schläft und wieso er sich zum Sexualtherapeuten ausbilden läßt.

Das weibliche Geschlecht hat es Nick Laurent angetan: »Ich liebe Frauen und komme mit ihnen besser klar als mit Männern«, sagt er.

Text: Sibylle Egloff Francisco / Photos: Sandra Ardizzone
(www.aargauerzeitung.ch und www.badenertagblatt.ch)

Das Feuer knistert in der Lounge eines bekannten Badener Restaurants. Nick Laurent sitzt lässig in einem Sessel und streicht sich die langen braunen Haare aus dem Gesicht. »Als ich als Callboy startete, ging ich davon aus, daß ich in schöne Lokale wie dieses eingeladen werde oder öfters in die Oper oder ins Theater komme. Aber nichts da. Meine Kundinnen treffe ich in ihrem Zuhause oder im Hotelzimmer«, sagt der 46-Jährige und lacht.

Laurent beglückt als Sexarbeiter schon seit 16 Jahren Frauen. Seit 2019 betreibt er zudem drei Portale für Liebesdiener, darunter auch die Website Callboy-Schweiz mit Firmensitz in Baden. Der heutige Valentinstag ist für ihn nichts Besonderes. Er schenkt Frauen fast jeden Tag Liebe und Aufmerksamkeit.

Die Idee, mit der eigenen Potenz den Lebensunterhalt zu verdienen, haben wohl nur die wenigsten Männer. Wie wurden Sie zum Callboy?

Nick Laurent: Ich war noch nie ein Kind von Traurigkeit und habe mit meinen Partnerinnen viel experimentiert und Leute getroffen. Frauen bedankten sich bei mir erstaunlich oft für den Sex und einige fanden sogar, daß ich Geld dafür verlangen sollte. In einem Moment des beruflichen Umbruchs habe ich spontan ein Zeitungsinserat geschaltet und nach kurzer Zeit traf die erste Buchung ein. Es war ein Pärchen aus Basel. Nach einem ersten Kennenlernen paßte es und wir schritten zur Tat. So nahm das Ganze seinen Lauf.

Und Sie hatten nie Zweifel, ob es das Richtige ist?

Zu Beginn war ich vor jeder Begegnung super nervös, doch inzwischen ist es zu einem routinierten Spiel geworden. Ich liebe Frauen und komme mit ihnen besser klar als mit Männern. Es motiviert mich, daß ich etwas, das mir Spaß macht, zu meinem Beruf machen konnte. Wenn Männer für Sex bezahlen können, können das Frauen erst recht. Ich bin ein absoluter männlicher Feminist. Die Gleichstellung aller Geschlechter ist mir ein Anliegen. Mit meinen Diensten trage ich dazu bei.

Haben Sie keine Mühe damit, mit jeder ins Bett zu steigen?

Nein, jeder Mensch hat etwas Schönes und Anziehendes. Das Aussehen ist für mich nicht ausschlaggebend, ob ich mit jemandem Sex habe. Ich biete meine Dienste auch Frauen mit Handicaps an. Der einzige Unterschied ist dabei das Handling, wenn ich der Frau etwa aus dem Rollstuhl aufs Bett helfen muß. Oft melden sich Heimleiter bei mir und arrangieren Treffen. Ich finde es toll, daß man auf die Bedürfnisse von körperlich Beeinträchtigten eingeht. Wert lege ich auf Sauberkeit und einen guten Körperduft. Riecht jemand schlecht, reagiert mein Genital und sagt: »Leckt mir am Arsch.« (lacht)

Glücklicherweise ist es in all den Jahren aber noch nie dazu gekommen. Wichtig ist, daß mein Bauchgefühl stimmt. Ein erstes Gespräch bringt Aufschluß, ob ich der Richtige bin. Ich habe gewisse Damen auch schon an andere Callboys verwiesen, weil ich merkte, daß die Chemie nicht vorhanden ist. Was bringt es, wenn ich für die Kundin kein Überflieger bin und das Ganze für mich einen Krampf darstellt?

Nick LaurentDer Frauenflüsterer

Nick Laurent ist 1976 in Burgdorf geboren. Er wuchs in der Schweiz und in Südfrankreich auf. Er ist Maschinenkonstrukteur und Informatiker. Seit 2006 arbeitet er als Callboy. Seit 2019 ist er Eigentümer der Callboy-Portale Callboy-Schweiz, Callboy-Wien und »Schweizer Callboys«. Er setzt sich für die Rechte von Sexarbeitenden ein und ist unter anderem Vorstandsmitglied im Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen in Deutschland. In seiner Freizeit betreibt Laurent europäischen Schwertkampf und ist auf seiner Buell von Harley-Davidson unterwegs. Er lebt in der Camargue in Südfrankreich und in der Rhein-Neckar-Region in Deutschland. Oft hält er sich auch in Baden auf, weil seine Partnerin in der Stadt wohnt. (sib)

Was sind das für Frauen, die Ihre Dienste in Anspruch nehmen?

Das sind Frauen aus allen sozialen Schichten im Alter von 18 bis etwa 70 Jahren. Manche sparen sich das Geld für eine Nacht mit mir mühsam zusammen, andere bezahlen mich aus der Portokasse. Die meisten Frauen sind aber in meinem Alter, zwischen 40 und 55 Jahre alt, stehen mit beiden Beinen im Leben und haben einen guten Beruf. Sich einen Callboy zu leisten, hat etwas mit Emanzipation zu tun. Gewisse Stammkundinnen kenne ich seit Jahren, eine bucht mich schon seit 2011 immer wieder.

Apropos Bezahlung: Was müssen Ihre Kundinnen für eine heiße Nacht hinblättern?

Mit 600 bis 1850 Franken müssen sie schon rechnen. Wichtig zu erwähnen ist, daß es sich nicht um Quickies handelt, sondern ich mir Zeit nehme und nach dem Akt manchmal noch etwas mit den Kundinnen kuschle und locker quatsche, statt sofort zu verschwinden. Unter drei Stunden lohnt sich eine Buchung nicht. Meine Dienste gehen über den körperlichen Aspekt hinaus. Der persönliche Austausch ist wichtig. Eine gute Allgemeinbildung und Empathie helfen, sich aufs Gegenüber einzustellen. Man soll erst mal etwas warm werden. Die Frauen können Nervosität abbauen. Das zahlt sich beim Sex aus. Die Begegnung ist nachhaltiger.

Das heißt, daß die Frauen nicht unbedingt auf der Suche nach multiplen Orgasmen sind?

Nein, meine Kundinnen wollen in erster Linie gesehen und wahrgenommen werden, und zwar als Persönlichkeit. Manchmal fehlt ihnen das in ihren Partnerschaften. Viele von ihnen sind aber meist alleinstehend.

Was wünschen sich die Frauen für Dienstleistungen?

Was den Sex angeht, sind die Wünsche relativ normal. Nachdem der Erotikfilm »Fifty Shades of Grey« rauskam, gab es Kundinnen, die sich für Fesselspiele interessierten. Ich mußte anfangs ablehnen, weil ich nicht geschult war, da man doch einige Sicherheitsaspekte berücksichtigen muß. Ich habe später aber einen Kurs gemacht und kann nun auch das anbieten.

Gibt es eine Orgasmusgarantie?

Garantieren, daß die Frau einen Höhepunkt erlebt, kann ich nicht. Das liegt in der Hand meines Gegenübers. Sie kann mich dazu nutzen. Um einen Orgasmus zu haben, muß das Genital mit dem Kopf verbunden sein. Ich treffe immer wieder auf Frauen, die Mühe damit haben. Das liegt wohl daran, daß unser Alltagsleben diese Verbindung aufgrund des Stresses und der Belastung bei der Arbeit kaum zuläßt. Ich merke auch oft, daß sich Frauen nicht gewöhnt sind, daß es im Bett um sie geht. Sie fragen oft, wie ich mich fühle und ob es für mich paßt, statt einfach loszulassen und es zu genießen.

In Ihrer Karriere als Callboy hatten Sie schon so einige Begegnungen. An welche erinnern Sie sich besonders gut zurück?

Jede Begegnung ist individuell und speziell, doch es gibt tatsächlich Buchungen, die mir besonders im Gedächtnis hängengeblieben sind. Ich denke etwa an eine Frau, die bis zu unserem Treffen lesbisch lebte. Sie buchte mich, weil sie mal einen Mann ausprobieren wollte. Die schönste Begegnung hatte ich mit meiner heutigen Partnerin. Sie war auch mal eine Kundin.

Sie lebt in Baden und deshalb bin ich oft in der Stadt. Wegen ihr habe ich alle Prinzipien über Bord geworfen. Normalerweise trenne ich Berufliches und Privates streng, keine meiner Kundinnen weiß, wo ich wohne. So schütze ich mich auch vor Stalking. Doch es ist für einen Callboy halt einfacher, jemanden bei der Arbeit statt im Supermarkt kennen zu lernen (lacht).

Sie und Ihre Partnerin sind seit sechs Jahren ein Paar. Hat sie kein Problem mit Ihrer Tätigkeit?

Nein, im Gegenteil. Sie unterstützt mich, gibt mir Halt und ist stolz, daß ich meine menschliche und körperliche Fähigkeit dazu nutze, um andere für einen Moment glücklich zu machen. Was hilft, ist die völlige Abwesenheit des »Eifersuchtsgens«. Von den Details und Intimitäten will sie nichts wissen, so zieht sie ihre Grenzen. Ich bin aber froh, daß ich ihr doch ab und zu gewisse Dinge erzählen kann und so einen weiblichen Blick auf die Sache erhalte. Das A und O in unserer Beziehung ist eine offene und manchmal auch schonungslose Kommunikation.

Sie reden offen über Ihren Beruf. Das stößt sicher nicht überall auf Verständnis.

Leider nein. Unsere Familien und unsere Freunde wissen Bescheid. Meine Mutter findet es in Ordnung und ich glaube, daß mein Vater insgeheim eifersüchtig ist, daß ihm diese Idee nicht selbst kam (lacht). Doch es gehen nicht alle so gut damit um. Ich kämpfe seit Jahren gegen das Stigma und Diskriminierung. Denn nicht nur Sexarbeitende werden in vielen Aspekten benachteiligt oder erfahren gar Restriktionen, sondern auch deren Umfeld.

Gewisse Leute wechseln die Straßenseite, wenn sie meine Eltern sehen. Und auch die Tatsache, daß meine Partnerin, die gerne darüber sprechen würde, aus verschiedenen Gründen nicht öffentlich dazu stehen kann, ist bedauerlich.

Warum ist Sexarbeit und Sexualität generell noch immer so ein großes Tabu?

Weil wir nicht lernen, über Sexualität zu sprechen, weder in Beziehungen noch öffentlich. Es wäre einfacher, wenn man Dinge beim Namen nennen könnte, ohne dabei gleich rot anzulaufen. Ansetzen müßte man in der Schule. Statt nur den biologischen Aspekt zu betrachten, sollte man auch behandeln, was Sexualität auslöst und was man dabei fühlt.

Wegkommen sollte man von religiösen Vorstellungen. Glaube und Religion haben nichts mit Sex zu tun. Eine entspanntere Sicht käme dem Sexleben von uns allen zugute. Ich habe so viele Frauen bei meiner Arbeit kennengelernt, die ein Päckchen tragen, zum Teil auch, weil die Gesellschaft mit dem Thema falsch umgeht.

Bilden Sie sich deswegen zum Sexualtherapeuten aus?

Sexarbeit ist grundsätzlich eine therapeutische Arbeit. Als Callboy gehe ich als Amateurpsychologe auf meine Kundinnen ein. Einige von ihnen sind sexuell traumatisiert aufgrund von Mißbräuchen oder Gewalt. Das äußert sich zum Beispiel in Vaginismus, der Verkrampfung des Beckenbodens und der Scheidenmuskulatur. Andere kämpfen gegen Anorgasmie, die Unfähigkeit, einen Orgasmus zu erleben. Die Ursachen dafür sind körperlich, aber eben auch psychisch. Um meine Arbeit zu professionalisieren, lasse ich mich zum Sexualtherapeuten ausbilden. So erhalte ich das eine oder andere Werkzeug in die Hand, das mir bei der Sexarbeit hilft.

Das bedeutet, daß Sie dem Job als Callboy treu bleiben?

Ich weiß, daß ich im Moment nicht aufhören will. Die Ausbildung ist eine Ergänzung zu meiner bisherigen Tätigkeit. Doch vielleicht wird daraus künftig ein neuer Weg.

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»Ich bin ein absoluter männlicher Feminist« (PDF, 833’491 Bytes)

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Aargauer Zeitung / Badener Tagblatt
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14.02.2023