Nick Laurent, 42, macht Frauen glücklich. Indem er voll und ganz auf sein Gegenüber eingeht. Als wohl bekanntester Callboy der Schweiz hat er nie ein Geheimnis um seinen Job gemacht.
Text: Lucas Huber / Photos: Jen Ries
(www.lima-magazin.ch)
Nick Laurent streicht das lange Haar zurück und fährt sich über den Henriquatre-Bart, den er nur trägt, damit er nicht zu jung aussieht. 42 ist er, der gelernte Maschinenkonstrukteur, der lange Zeit in Ziefen lebte und heute Domizile im Aargau und dem nahen Ausland hat. Wo genau, das hält er geheim, wie er auch das warum geheimhält. Nur so viel: »Ich liebe meine Freiheit, sie geht mir über alles.«
Nick Laurent, der darum bittet, ihn zu duzen, ist seit 13 Jahren selbstständiger Callboy. Vor einer Dekade war er so ziemlich der offenste, heute ist er der wohl bekannteste. Er strahlt und lacht, macht Witze – kein Wunder bei einem, der bezahlt wird für Sex mit Frauen. Doch Laurent, das betont er wiederholt, ist keiner für eine schnelle Nummer; er ist professioneller Liebhaber – und in einer festen Beziehung.
Er war Ende 20 und führte eine ziemlich offene Beziehung mit seiner damaligen Partnerin. So offen, daß sich die beiden auch immer wieder auf erotische Abenteuer außerhalb ihrer Partnerschaft einließen. Nick Laurent schmunzelt: »Es kam vor, daß sich Frauen nach dem Sex bei mir bedankten.« Kurze Pause, Haar zurückstreichen: »Dann meinte eine, ich könnte eigentlich auch Geld dafür verlangen. Da beschloß ich, etwas Verrücktes zu tun, bevor ich 30 werde …«
LiMa: … und wurdest Callboy.
Nick Laurent: So ist es. Ich schaltete ein Inserat in der Zeitung. Meine erste Buchung war ein Paar in Basel.
Wie haben Familie und Freundeskreis auf deinen neuen Nebenjob reagiert?
Meine Mutter verband mit dem Begriff Callboy Rotlicht und Drogen, davor hatte sie Angst. Als ihr klar war, was und wie ich das Ganze handhabe, stand sie dahinter. Meine Freunde und Bekannten nahmen es vorwiegend positiv auf, und der eine oder andere meinte augenzwinkernd, ich könne ihn dann gern mal mitnehmen.
Du hast auch nie ein Geheimnis um deinen Beruf gemacht.
Ich stand von Anfang an dazu. Schließlich mache ich ja nichts Schmuddeliges, nichts Verruchtes. Ich sehe mich auch nicht als Prostituierten; ich bin Dienstleister. Man kommt sich beim Arzt zwar nicht ganz so nah, aber ihn bezahlt man ja auch, damit er einem zuhört und für einen da ist.
Wie wichtig ist das Zuhören?
Sehr wichtig. Ich schätze, Gespräche und Sex halten sich die Waage, fifty-fifty. Wer mich bucht, bucht nicht nur meinen Körper, sondern auch meinen Geist. Man kann mich ja etwa auch als Ferienbegleitung buchen, da habe ich schon schöne Urlaube verbracht.
Wie oft wirst du gebucht?
Früher waren es bis zu fünf bis sechs pro Woche, also fast täglich. Heute mache ich nicht mehr als zwei in der Woche, am liebsten nur eine; so bleibe ich exklusiv. Ich lebe von Stammkundinnen.
Warum?
Erstens kommt man den Menschen extrem nahe, das laugt aus und ist anstrengend in einem positiven Sinn. Man muß bei guter psychischer und auch körperlicher Gesundheit sein. Das bin ich, trotzdem brauche ich immer wieder Pausen, muß mich zurückziehen können. Und schließlich liebe ich meine Freizeit.
Wer ist die typische Kundin?
Die gibt es nicht. Meine Kundinnen sind zwischen 18 und 60 Jahre alt, vorwiegend zwischen 45 und 55. Das können Alleinstehende sein, Frauen, die ihren Mann verloren haben oder mit ihrem Job verheiratet sind. Eine Stammkundin bezeichnet mich jeweils als ihren Kurzurlaub.
Callboy Nick Laurent sieht sich als Dienstleister und ganz normalen Kerl.
Gehören nach wie vor Paare zu deinem Kundenkreis?
Jawohl. Allerdings »mache« ich nichts mit dem Mann. Wir kommen uns allerdings doch recht nahe, also sollten wir uns schon sympathisch sein. Zusammen verwöhnen wir dann die Frau.
Nick Laurent schmunzelt, ein Lächeln huscht über sein Gesicht, als spiele sich vor seinem inneren Auge gerade so eine Szene ab.
Was wünscht die typische Kundin?
Meistens geht es nicht um konkrete Sexpraktiken oder so, natürlich kommt das auch vor. Vor allem aber geht es um Aufmerksamkeit – in und neben dem Bett, darum, daß ein Mann für sie da ist, sie wahrnimmt und sie in den Mittelpunkt stellt, ihre Stimmung und ihre Bedürfnisse spürt.
Bist du ein besonders guter Liebhaber?
Vielleicht weiß ich im Sexuellen das eine oder andere mehr, aber ich bin letztlich ein ganz normaler Kerl und lebe mein gutbürgerliches Leben. Ich glaube aber schon, das ich gut auf Frauen eingehen kann, daß ich ein gutes Gespür habe, gut zuhöre und auch nicht zögere, zu fragen, was sie wünscht und braucht.
Eine Nacht mit Nick Laurent kostet 1’850 Franken, »mit Sex all inclusive«. Wichtig dabei: Diskretion, keinen Sex ohne Gummi und »nichts Abartiges«, wie Laurent sagt. Was er damit meint, sind etwa extreme, schmerzhafte BDSM-Spiele. Er betont, daß sein Arrangement nur mit Zeit funktioniert, Frauen seien schließlich kein Fastfood. Er streicht das Haar zurück: »Dafür gibt es Vibratoren.«
Was treibt dich an?
Nun, ich liebe Sex, ich liebe Sinnlichkeit. Und ich liebe es, mich um eine Frau zu kümmern, wirklich auf sie einzugehen, mich voll und ganz auf sie zu konzentrieren. Es geht nicht um meine Sexualität, sondern einzig und alleine um jene der Frau, sie steht im Mittelpunkt. Das bringt auch mich voll in Fahrt. Und ich weiß: Wenn ich eine Frau glücklich mache, ich meine so richtig glücklich – dann bekomme ich das tausendfach zurück.
Wie muß man sich den Ablauf bei einer Buchung – sagen wir einer Neukundin – vorstellen?
Die Kundin nimmt Kontakt zu mir auf, gewöhnlich findet sie mich über meine Website. Sie schreibt mich per WhatsApp oder SMS an – oder ruft an.
Lehnst Du Kundinnen ab?
Die Frau kontaktiert zwar mich, aber ob es zu einem Treffen kommt, entscheide ich. Stimmt die Chemie nämlich nicht – und das kann man oft schon aus ein paar WhatsApp-Zeilen herauslesen –, kommt es auch zu keinem Treffen. So kann ich sagen, daß ich mich wirklich auf jede Buchung freue.
Und wenn ihr euch trefft?
Das geschieht vielleicht in einer Bar, vielleicht in einem Restaurant, vielleicht auch direkt bei ihr. Nur mein Zuhause und mein Bett sind tabu, absolut. Wir trinken etwas, unterhalten uns, lernen uns kennen, flirten – und es beginnt zu knistern. Denn ich kann mich gut auf mein Gespür verlassen: Bisher hat die Chemie immer gestimmt.
Und dann?
Dann geht es in die Horizontale, ans Verwöhnen und aufs Gegenüber Eingehen. Das kann ganz schnell gehen oder extrem langsam. Lachen ist wichtig, Sex ist nichts Todernstes und schon gar kein Leistungssport. Wir haben einfach Fun.
Wie läuft das mit dem Geld?
Es darf nicht zum Thema werden, die Bezahlung muß nebenbei laufen. Gewöhnlich bezahlt die Kundin gleich zu Beginn bar, andere überweisen es vorher. Für den Notfall habe ich aber auch stets ein Kreditkartenlesegerät dabei.
Gibt es eine Buchung, die dir in besonderer Erinnerung geblieben ist?
Ich hatte ein unglaublich schönes Erlebnis mit einer Lesbe. Sie war Mitte 30, sah unfaßbar gut aus und hätte wohl jeden abschleppen können. Aber sie hatte keine Erfahrung mit Männern, darum buchte sie mich. Es war eine zarte, sinnliche Begegnung, unbeschreiblich. Wie ein weicher Moosboden in einem norwegischen Wald.
Inwiefern hat das Alter Einfluß auf deinen weiteren Berufsweg?
Ich habe vergangenes Jahr eine Callboy-Plattform gegründet, schweizer-callboys.ch, außerdem coache ich andere Callboys, lege ihnen Abläufe und Verhaltensregeln nahe. Was mich angeht: Ich will das machen, solange ich gebucht werde. Schließlich biete ich mehr als nur das Sexuelle.
»Wie ein weicher Moosboden im Wald« (PDF, 180’821 Bytes)
Interview
- Magazin
- LiMa
- Ausgabe
- Nr. 69 vom 01.05.2019