Der Sexmarkt für Männer boomt. Und der für Frauen? Annabelle-Autor Stephan Rathgeb ging der Frage nach. Sein Befund: Auch Frauen kaufen Sex. Doch sie tun es anders.
Text: Stephan Rathgeb / Photos: Maurice Haas
(www.annabelle.ch)
Als die Gleichberechtigung der Frau in Sachen Sex ein neues Kapitel schrieb, schienen die Frauen für einmal nicht sonderlich geneigt mitzulesen. Das erste Bordell für Frauen öffnete hier zu Lande seine Tore 1994 in Zürich, nahe der Universität. Auch Studenten sollen sich angeboten haben, wie der »Tages-Anzeiger« berichtete, für hundert Franken die halbe Stunde. Doch anstatt der Businessladys seien Familienväter darin verschwunden. Und so wurde aus dem Frauenbordell alsbald ein Schwulenpuff. Die Frauen sind zu Hause geblieben.
Den vorerst letzten Versuch startete 2001 ein Stripper namens Calvin. Das Strippen hatte seine Bandscheiben ruiniert, weshalb er beschloß, umzusatteln und in Leibstadt, Kanton Aargau, sechs Muskelpakete um sich zu scharen. Sein Laden hieß Angels. Passiert ist darin wenig. Kaum war das Angels eröffnet, ging es auch schon wieder zu. Wenig später saß Calvin im Knast. Angeblich hatte er ein deutsches Rentnerpärchen ausgeraubt, weil er die Reparatur für seinen Opel nicht mehr zahlen konnte.
Ganz offensichtlich lassen sich im ältesten Gewerbe der Welt die Rollen nicht so einfach vertauschen. Nicht einmal Hollywoods berühmt-berüchtigter Callgirl-Ring-Betreiberin Heidi Fleiß ist es gelungen, die weibliche Promiskuität zu vergolden. In Nevada, wo Prostitution teilweise erlaubt ist, plante sie das erste Bordell für Frauen auf US-Boden. 250 Dollar sollte die Stunde mit ihren schönen Gespielen kosten. Heidi Fleiß witterte das große Geschäft, und sie hatte auch schon den passenden Namen: Heidis Zuchthengstfarm. Das war 2005. Die Zuchthengstfarm gibt es auch heute nur im Internet.
Was ist falsch gelaufen? Sind sich Frauen schlicht nicht gewohnt, Männer zu kaufen? Oder ist ein Bordell den Frauen einfach nicht anonym genug?
Marianne von Allmen muß es wissen. Ihr Ambassador-Escort ist eine der wenigen Agenturen, die auch Männer im Sortiment führt. Die Frau lacht laut ins Telefon, als ich sie nach ihrem Angebot frage. Es ist ein ehrliches, unkontrolliertes Lachen. Jede Woche erhalte sie mindestens drei Anrufe von Männern, die gern in ihre Dienste treten würden, sagt sie. Allein die Vorstellung, sich Damen für Geld anzubieten, müsse für Männer der Himmel auf Erden sein. Doch Marianne von Allmen muß alle Bewerber enttäuschen. Für einen Escortservice für Frauen, sagt sie, gäbe es schlicht keinen Markt.
Vor drei Jahren habe sie ernsthaft versucht, daraus ein Business zu machen, mehrere wirklich attraktive Männer habe sie im Angebot gehabt, überall Inserate geschaltet – ohne Erfolg. Alle Schaltjahre habe mal eine potentielle Kundin angerufen. Nur um dann unendlich lange zu plaudern, bevor sie zur Sache kam. Für mich als Vermittlerin, sagt Marianne von Allmen, ist das mit zu viel Aufwand verbunden und deshalb nicht rentabel. Sie konzentriert sich heute wieder auf das florierende Geschäft mit Escortdamen für Männer. Schade findet sie das schon, denn sie ist überzeugt: Die Frau würde schon wollen, doch sie sei noch nicht so weit.
Das Internet scheint ihr Recht zu geben. Callboys finden sich im Netz zwar viele, doch es braucht höchstens einen zweiten Blick, um zu merken, daß die meisten wohl nicht oft gebucht werden. Schampi (56) aus Luzern sieht etwas gar streng aus mit seinem Bart. Er sitzt auf einem biederen Sofa und macht sich nicht mal die Mühe, in die Kamera zu lächeln. Er bietet sich zu Dumpingpreisen an, achtzig Franken die Stunde genügen ihm. Trotzdem erweckt Schampi nicht den Eindruck, als würde er sein Sofa oft verlassen.
E-phil, ein schlaksiger Typ mit Schlabberhosen, hat immerhin eine eigene Homepage. »Feste Frauen willkommen« lautet sein Begrüßungstext. Auch er vertraut seinen Dienstleistungen nicht wirklich: Jedenfalls vertreibt er auf seiner Seite nebenbei noch Nahrungsergänzungsprodukte. Und auch zum Ikea-Möbel-Zusammenbauen sei er durchaus brauchbar.
Auf ein Rundmail mit zehn Fragen an alle 33 Selbstinserenten von www.swisscallboys.ch antworten nur zwei. Ich hatte im Mail unter anderem gefragt, wie viele Kundinnen sie denn so hätten, im Schnitt. Die beiden Ausnahmen, die diese Frage beantworten wollen oder vielmehr können, heißen Nick und Othmar und sind Newcomer in der Branche. Othmar (30) ist ehemaliger Postangestellter. Er hat sich diesen Frühling selbstständig gemacht. Sieben Pornos hat er bereits gedreht, und seit Juli dieses Jahres bietet er sich auch als Callboy an. Schon zehn Stammkundinnen habe er an der Angel. Er sieht dies als Belohnung für zwölf Jahre harte Arbeit im Fitneßstudio. Und dafür, daß er neben harten Muskeln auch eine softe Seite anzubieten habe und auf Frauen eingehen könne. Diese Kombination, sagt er, bringe jede Frau zum Schmelzen. Doch seit kurzem ist er mit einer bekannten Pornodarstellerin liiert, die er bei einem Dreh kennen gelernt hat. Und weil sie bereits jetzt eifersüchtig ist auf seine Kundinnen, ist fraglich, wie lange er den Frauen seine Dienste noch anbieten kann.
Callboy Nick (31) hat diesen Punkt mit seiner langjährigen Freundin geklärt. Demnächst werden die beiden heiraten, und seine Braut will ihn in Zukunft sogar managen. Obwohl er erst seit Anfang Jahr im Geschäft ist, hat auch Callboy Nick bereits eine Handvoll Stammkundinnen, die ihn auf Trab halten. Doch von nichts kommt nichts, sagt Nick, der tagsüber als Behindertentaxifahrer arbeitet. Wochenlang hat er an seiner Homepage programmiert und diese für die Suchmaschinen optimiert. Regelmäßig schaltet er Anzeigen in Regionalzeitungen. Auch im Fernsehen tritt er auf. Nick identifiziert sich derart mit dem Job, daß er auch bereit ist, die Konsequenzen zu tragen; die künftige Schwiegermutter hat nach dem Fernsehauftritt angekündigt, die Hochzeit zu boykottieren. Damit muß man als Callboy wohl leben können.
Im Bett müsse ein guter Callboy seine eigenen Bedürfnisse konsequent zurücknehmen, sagt Nick. Nur wer sich über den Orgasmus der Partnerin so sehr freue wie über den eigenen, tauge für diesen Job.
Sein Erfolgsrezept: Die Frau hat immer Vortritt, sagt Nick, auch im Bett. Nick hofft, daß er irgendwann von seinem Nebenjob wird leben können.
Dieses Ziel hat sich Marcel nie gesteckt. Und genau das ist wohl das Geheimnis seines Erfolgs. Marcel ist der dienstälteste Callboy, den ich gefunden habe. Doch Gigolo ist vielleicht die bessere Berufsbezeichnung für einen, der sagt: Frauen zahlen nicht für Sex, sondern für einen Partner. Marcel ist 36, seit zehn Jahren im Geschäft und der Beweis dafür, daß Frauen scheinbar keine Hemmung haben, für Männer in die Tasche zu greifen. Doch es läuft anders ab: Sex, sagt er, finde nicht als Tauschhandel statt. Während viele Männer allein schon die Phantasie anturnt, eine Frau für Sex zu bezahlen, ist der Kaufakt bei Frauen nie ein Thema. Er wird geradezu umschifft. Als wäre es das Nebensächlichste der Welt, schieben ihm die Kundinnen meist schon zu Beginn das Couvert mit den Nötli zu. Nachzählen ist nicht nötig.
Marcel trägt einen dunklen Anzug. Kurze Haare. Elegante Schuhe. Wie es sich für einen Gigolo gehört. Ein gepflegter Dreitagebart signalisiert Männlichkeit. Er ist der Typ Mann, den Frauen gern erobern. Marcel ist ein attraktiver Mann. Souverän in seiner Zurückhaltung. Er ist äußerst höflich, hat tadellose Manieren. Und ist sich gewohnt zuzuhören, statt von sich zu reden. Er strahlt etwas Unabhängiges aus. Wirkt geerdet und bei sich. Und in keiner Weise käuflich.
Tagsüber arbeitet er im Büro, zu hundert Prozent. Callboy zu sein ist für ihn ein Hobby, ein gut bezahlter Nebenjob, auf den er nicht angewiesen ist. Er glaubt, daß das für seinen Erfolg ein wichtiger Faktor ist. Die Frauen spüren das, sagt er. Er hat im Schnitt ein bis zwei Aufträge pro Woche – und das seit über zehn Jahren. Die meisten Kundinnen werden zu Stammkundinnen.
Die Frauen, die mich kontaktieren, sagt Marcel, könnten überall einen Mann finden, und doch kommen viele lieber zu mir. Ein Umstand, der ihn anfangs selbst erstaunte. Seine jüngste Kundin war gerade mal 25, und auch die kam mehr als einmal. Oft hat Marcel seine Kundinnen gefragt: Warum bist du bei mir? Du findest doch in jedem Club einen! – Ja, war die Antwort meist, doch der ruft mich ständig wieder an.
Marcel ruft nie eine Kundin an. Das hat er sich zur Regel gemacht. Seine Diskretion ist für die meisten seiner Kundinnen ausschlaggebend. Denn fast alle haben zwar einen Mann, aber keine erfüllte Sexualität. Manchmal sei auch einfach Neugier dabei.
Marcel hatte schon Hausfrauen, Businessfrauen, Selbstständige als Kundinnen, sogar eine Kunstmalerin war dabei. Stets seien die Frauen gepflegt, tragen schöne Dessous wie zu einem Date und sind, erstaunlicherweise, wie er findet, alle rasiert. Wahrscheinlich, um sich keine Blöße zu geben. Viele haben im Bett schlechte Erfahrungen gemacht, wurden enttäuscht und verletzt.
Marcel kostet 400 Franken. Ob eine Stunde oder zwei, er schaut nicht auf die Uhr. Da muß man großzügig sein, sagt er. Auf die Zeit achten sei für Frauen ein Abtörner. Beim ersten Mal seien seine Kundinnen oft nervös, sagt Marcel. Entschuldigten sich sogar, sie hätten so was noch nie gemacht. Und wüßten gar nicht, wie das geht mit einem gekauften Mann. Dann übernimmt er die Führung. Die Frauen, sagt er, die zu mir kommen, wollen das, sie erwarten es. Sie wollen verführt werden. Dafür bezahlen sie.
Zum Sex kommt es immer gleich beim ersten Treffen. Die Frauen wollen nicht erst schnuppern. Als Begleitung ins Theater hat ihn bisher noch keine gebucht. Auch nicht für einen gesellschaftlichen Auftritt. Die Frauen, die ihn buchen, wollen ihn für sich haben, deshalb greift auch die Mundpropaganda als Marketinginstrument nicht.
Einen Businessplan hat Marcel nie gemacht. Er hat sich ganz einfach ein zweites Handy gekauft. Und ein Inserat in Annabelle geschaltet. Er schrieb nur: Callboy. Und dann die Handynummer. Bereits nach einer Woche klingelte das Telephon.
Die erste Kundin hätte seine Mutter sein können. Man traf sich in einer Bar, und sie kam gleich zur Sache. Marcel hegte zu Beginn noch die Hoffnung, die Dame wolle vielleicht nur ein wenig plaudern. Stattdessen sagte sie: Gömmer grad zu dir? Die Frau war 55 und korpulent. Er 25 und gut aussehend. Das fängt ja schon gut an, dachte er zuerst. Dann: Wenn du die schaffst, schaffst du alle.
Inzwischen hat Marcel viele Frauen gehabt und bei jeder von neuem gelernt: Frauen sind sehr viel wählerischer als Männer. Der Mann geht ins Bordell, sagt Marcel, verrichtet sein Geschäft und kommt nach zwanzig Minuten wieder raus. Frauen hingegen wollen keine schnelle Nummer. Ausdauer im Bett gehört zur Grundausstattung für jeden Callboy, sagt Marcel. Sonst läuft dir die Frau davon. Frauen suchen das Sinnliche. Massieren steigert die Gefühle, auch Streicheln, weiß er. Und sonst halt: das normale Programm. Einen Superhengst mit Tigerhöschen suchen sie nicht. Sie wollen ganz einfach guten, normalen Sex. Und vor allem: Aufmerksamkeit, als Frau wahrgenommen werden. Außergewöhnliche Praktiken, sagt er, wurden bisher nie verlangt. Auch der Orgasmus, hat Marcel gelernt, sei für viele Frauen nicht so wichtig. Aber daß man ihr zuhört, sie in den Arm nimmt, schon.
Mit anderen Worten: Selbst wenn die Frau sich Liebe kauft, sucht sie sich nicht bloß einen Mann fürs Bett. Sie sucht sich einen Partner, mit dem sie auch sonst gern zusammen wäre.
Ein Drittel von Marcels Kundinnen sind Karrierefrauen. Der Rest bezahlt ihn aus der Haushaltskasse. Sie haben einen reichen Mann, sagt Marcel, doch der ist nie da. Sie leben im goldenen Käfig. Sie haben alles, aber das Wichtigste fehlt: Anerkennung, Liebe, Zärtlichkeit. Ich gebe ihnen das, für einen Moment.
Die längste Stammkundin hielt ihm sieben Jahre die Treue.
Daß Frauen durchaus bereit sind, käufliche sexuelle Abenteuer einzugehen, weiß auch Maggie Tapert (55). Die in Zürich wohnhafte Amerikanerin ist so etwas wie eine Zuhälterin, für ganze Gruppen sogar. Wahrscheinlich hört sie das nicht besonders gern, denn sie selbst bezeichnet sich als Hohepriesterin. Die esoterische Verkleidung ist ihr Marketingtrick. Und der funktioniert: Die Frauen bekommen das Gefühl, daß sie nicht für einen Mann zahlen, sondern für ein Selbsterfahrungsseminar. In ihrem Arsenal hält Maggie Tapert fünf Archetypen »heiliger Huren«, wie sie die Männer nennt. Heilig deshalb, weil sie kein Geld für ihre Dienste verlangen. Maggie Tapert diente selbst während Jahren als heilige Hure bei Ritualen für Männer. Vor 15 Jahren kehrte sie die Rollen um. Zweimal im Jahr veranstaltet sie ein dreitägiges Tempelritual für Frauen, wo diese handverlesenen Männer zum Einsatz kommen.
Hohepriesterin Maggie Tapert strahlt eine beinah beklemmende Tabulosigkeit aus, was Sexualität anbelangt. Sie spricht von Ficken und von Wichsen, als handle es sich um das Ölen eines Nutzfahrzeugs. Ich benutze bewußt eine direkte Sprache, erklärt sie, um die verklemmte Einstellung vieler Leute gegenüber Sex zu brechen. Das hilft, mit einer Wahrheit in Kontakt zu kommen, die sich Lust nennt. Ihre Aufgabe, sagt Maggie Tapert, bestehe im Wesentlichen darin, den Frauen zu sagen: Du darfst. Egal, was es ist.
Und dürfen heißt: Spaß haben jenseits von allen gesellschaftlichen Konventionen. Frauen, sagt sie, denken noch viel zu oft darüber nach: Bin ich wirklich verliebt? Ist er ein guter Partner? Statt: Worauf habe ich heute grad Lust?
Maggie Tapert hat sich der Aufgabe verschrieben, aus den Frauen die Lust herauszukitzeln, die bloße, unkontrollierte. Falls nötig mit brachialen Methoden.
Ein Dokumentarfilm, den ihre Tochter und ihr Schwiegersohn gedreht haben, zeigt, wie ihr das gelingt. Der Film beginnt damit, wie sie mit einem selbst gebastelten Orgasmusmobil an ein Festival in der Wüste von Nevada tingelt. Es sieht aus wie ein Indianerzelt, sie zieht es hinter sich her. Per Lautsprecher fordert Maggie Tapert neugierige Frauen auf, einzutreten und sich darin mittels Vibrator einen Orgasmus zu bescheren.
Ob die Frau, die als Erste hineingeht, dies tatsächlich spontan tut oder ob sie als Eisbrecherin für den Film fungiert, sei dahingestellt. Jedenfalls wird ihr Stöhnen auf den mobilen Lautsprecher übertragen. Als sie rauskommt, gratuliert ihr Maggie Tapert wie einem Kind, das soeben das erste Mal ins Töpfchen gemacht hat. Und wendet sich wieder dem Mikrophon zu: Wer wagt es als Nächste?
Der weibliche Orgasmus wird bei Maggie Tapert zur ganz normalen Körperfunktion. Sie banalisiert. Sie entmystifiziert. Gnadenlos. Mit heilig hat das Ganze nichts zu tun. Doch genau da, sagt Maggie Tapert, liegt das Problem. Beten ist heilig und vielleicht noch Meditieren, den Rest spalten wir ab. Dabei gibt es nichts Heiligeres als die Lust.
Wenn sie sich also Hohepriesterin nennt, ist ein Augenzwinkern dabei. Sie weiß, daß ihre männlichen Archetypen Prostituierte sind, auch wenn sie kein Geld dafür nehmen. Das ist ein wichtiger Punkt, betont Maggie Tapert. Denn Männer haben sich seit Jahrtausenden daran gewöhnt, für schöne Frauen den Geldbeutel zu zücken. Frauen nicht. Maggie Tapert sagt: Du kannst die Prostitution für den Mann nicht einfach umkehren und meinen, es funktioniere so auch bei der Frau. Frauen wollen begehrt sein, sagt sie. Wenn sie plötzlich zahlen müssen, fällt das Gefühl des Begehrtseins wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Das Praktische an Maggie Taperts heiligen Prostituierten: Bei ihr zahlen die Teilnehmerinnen im Voraus, per Einzahlungsschein. In Form von Kurskosten, 600 Franken für drei Tage, Kost und Logis exklusive. Reich wird Maggie Tapert dabei nicht, sie sieht es eher als Mission. Sie bezeichnet sich auch als Sexheilerin.
An Maggie Taperts Tempelritualen nehmen im Schnitt zwanzig bis dreißig Frauen teil, sie sind zwischen dreißig und sechzig Jahre alt. Kaum zu fassen, wie diese Frauen einfach so die Hüllen fallen lassen, sogar im Film. Sie liegen und sitzen im Kreis, auf Matten wie im Turnunterricht, und machen sich über ihren Körper her, als wäre es das erste Mal. Die Vibratoren surren pflichtbewußt. Münder öffnen sich und entblößen Zahnplomben. Es stöhnt überall.
Frauen, ungeschminkt. Keine Models. Sondern Frauen, die das Leben zeichnet. Frauen, die Kinder geboren haben, Frauen mit Übergewicht. Und: Frauen, die Spaß haben, hemmungslos. Doch das ist nur die Vorbereitung für den eigentlichen Höhepunkt: das Tempelritual.
Ganz aufgeregt dekorieren die Frauen einen schönen Raum. Verteilen Kissen, spannen Tücher und machen sich zurecht. Jede bemalt eine Maske, die sie sich anzieht, und schlüpft in Reizwäsche. Im Nebenraum ziehen sich die fünf Männer aus und stimmen sich geistig auf ihre Aufgabe ein, wie vor einem Boxkampf. Auch sie schnüren sich Masken um. Augen und Mund bleiben frei, Küssen gehört dazu, wenn es die Frauen wünschen.
Das Aufregendste für die Frauen, sagt Maggie Tapert, ist, daß sie sich die Männer aussuchen können. Sie flüstern Maggie Tapert ins Ohr, welchen sie möchten und was er mit ihnen tun soll. Maggie Tapert nimmt sie an der Hand und führt sie zum gewünschten Mann, eine nach der andern. Einige wollen mehrere Männer aufs Mal. Oft dauern die Rituale bis zwei Uhr morgens. Bis jede Frau genug hat.
In den 15 Jahren, in denen Maggie Tapert diese Rituale veranstaltet, sei es noch nie vorgekommen, daß ein Mann eine Frau abgelehnt habe. Im bedingungslosen Angenommenwerden liege eine heilende Kraft, sagt Maggie Tapert. Und vermutlich auch ein wesentlicher Grund für den Erfolg ihres Business.
Männer für gewisse Stunden (PDF, 1’575’180 Bytes)
Reportage
- Zeitschrift
- Annabelle
- Ausgabe
- 20/07 vom 07.11.2007